Es gibt (moderne) Weihnachtsbücher, die mitten aus dem prallen Leben gegriffen scheinen. Die auf unterhaltsame Weise von humorvollen und tragischen Ereignissen erzählen, die jedem so oder so ähnlich in der feierlichsten Zeit des Jahres widerfahren könnten.
Und es gibt echte Weihnachtsmärchen, bei denen man vom ersten Moment an fühlt: Etwas Wunderbares wird geschehen und letzten Endes wird bestimmt alles gut werden, selbst wenn die Voraussetzungen dafür anfangs unter einem schlechten Vorzeichen stehen.
„Holly und Ivy“ von der englischen Schriftstellerin Rumer Godden gehört ganz klar in diese zweite Kategorie. Es ist eine Geschichte, die einlädt zum Innehalten und Genießen. Und die Weihnachtszauber dort versprüht, wo in der hektischen Adventszeit oft viel zu wenig Zeit zum Träumen bleibt…
Zum Inhalt von „Holly und Ivy“
Die Puppe Holly wünscht sich in ihrem Schaufenster eines Spielzeugladens nichts sehnlicher, als am Weihnachtsabend von Kinderhänden gehalten zu werden. Das Waisenmädchen Ivy hat zunächst nur einen Wunsch: Zu seiner Großmutter zu fahren und dort die Weihnachtstage zu verbringen.
Als das Waisenhaus über die Festtage schließen muss, ist für alle kleinen Bewohner ein freundlicher Ort gefunden, um Weihnachten dort zu verbringen. Für alle, außer für die sechsjährige Ivy. Sie wird kurzerhand in den Zug gesetzt. Eigentliches Ziel ihrer Reise: Das Säuglingsheim, denn kein anderer Platz konnte für sie gefunden werden.
Ivy weiß jedoch genau, wohin sie stattdessen will: Zu ihrer Großmutter nach Aylesbury!
Tatsächlich gibt es diese Großmutter nicht, doch Ivy ist so sehr von deren Existenz überzeugt, dass sie kurzerhand den Zug verlässt, als sie sich in Aylesbury wähnt, um sich auf die Suche nach ihr zu machen.
Natürlich kennt sie in dieser fremden Stadt niemanden, bei dem sie einen Schlafplatz oder Schutz vor Schnee, Kälte und Hunger finden könnte. Und erst recht hat sie kein Geld, um sich eine Puppe wie Holly kaufen zu können, die sie am dunklen Weihnachtsabend im Schaufenster des Spielzeugladens erblickt.
Das Schicksal meint es jedoch gut mit den beiden und so gehen tatsächlich am Ende mehr als zwei Herzenswünsche in Erfüllung…
Was gibt es Schöneres, als kurz vorm Fest durch verschneite Straßen zu stapfen, sich an festlich dekorierten Schaufenstern zu erfreuen und sich beim wohligen Licht, das aus Fenstern hinaus fällt, vorzustellen, wie gemütlich und warm es dahinter in den festlich geschmückten Häusern sein mag, aus denen Rauch durch den Kamin in die dunkle Winternacht steigt?
Das sind Momente, die Weihnachtsstimmung und Weihnachtsfreude erzeugen – vorausgesetzt man weiß, dass einen der eigene Weg in solch ein behagliches Zuhause führt, dass die Weihnachtstage eine realistische Chance haben, die schönsten des Jahres zu werden und dass liebe Menschen diese Weihnachtsfreude mit einem teilen werden.
Weihnachtszauber liegt auch in dieser herzergreifenden Geschichte in der Luft. Nicht, weil Ivy ein Zuhause wie oben beschriebenes oder die Aussicht auf ein erfülltes Weihnachtsfest tatsächlich hat, aber weil sie unerschütterlich daran glaubt, dass es dieses großmütterliche Heim gibt, dass sie es nur zu finden braucht und dass sie es auch finden wird!
Es ist rührend zu sehen, wie dieses tapfere, kleine Mädchen nicht an Hunger, Kälte und Einsamkeit verzweifelt, wie sie ihren Weg geht und Hoffnungslosigkeit keinen Platz einräumt. Und dass es andere gibt, die trotz fortgeschrittenen Alters die Kraft des Wünschens nicht vergessen haben.
Die liebevollen, detailreichen Zeichnungen von Maren Briswalter tun das Ihre dazu, beim Vorlesen dem Alltag zu entschwinden. Sie entführen große und kleine Leser auf bezaubernde Art und Weise in eine Welt purer Nostalgie, in der jedes erleuchtete Fenster wohlige Gemütlichkeit verströmt. Mitten hinein in eine englische, schneebedeckte Stadt vergangener Zeiten, in der klassischer Weihnachtszauber, Freude und Glück als Kontrast zur Einsamkeit und bedrohlichen Lage der kleinen Ivy allgegenwärtig sind.
Eine Situation, die eher sensiblen oder noch sehr jungen Zuhörern vielleicht zu sehr zu Herzen gehen kann? Das sollten Eltern im Zweifelsfall entscheiden, während sie vorab dieses Buch lesen.
Trotz all dieser Märchenhaftigkeit und schicksalhaften Fügungen gibt es angenehmerweise kein überzuckertes, allzu feierlich inszeniertes Happy End. Stattdessen regt die Geschichte am Ende noch einmal ganz still zum Nachdenken an: Wie oft im Leben fügt sich doch alles auf wundersame Weise? Wie sehr können Wünsche Berge versetzen?
Fazit und Fakten rund ums Buch
„Holly und Ivy“ ist ein Buch, das ohne Frage das Herz erwärmt, das Weihnachtsgemütlichkeit in Vollendung beschert und einfach glücklich macht!
Zu empfehlen ist das 32 Seiten starke Werk zum Vorlesen für Kindergarten- und Grundschulkinder ab etwa 4 bis 5 Jahren; zum Selberlesen eignet sich das Buch für Kinder etwa ab der zweiten Klasse.
Jüngst neu aufgelegt im Verlag Urachhaus ist das Buch in gebundener Ausgabe zum Preis von 14,90 € mit der ISBN 9783825175733 im Buchhandel erhältlich.
Eine ausführlich Leseprobe, um sich einen Eindruck von Text und Bildern von „Holly und Ivy“ machen zu können, einige Sätze zur Autorin Rumer Godden, zur Illustratorin Maren Briswalter und mehr gibt es auf den Internetseiten des Verlags Urachhaus.
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