Nicht mehr lange, dann geht das Schuljahr zu Ende. Doch vor den wohlverdienten Ferien steht noch die – häufig mit gemischten Gefühlen erwartete – Zeugnisausgabe.
Für viele ist der „Zeugnistag“ sicherlich ein Grund zur Vorfreude, andere blicken ihm sorgenvoll entgegen.
Sind am Zeugnistag die Noten – Schwarz auf Weiß in den Händen gehalten – nicht wie gewünscht, können viele Emotionen zutage treten.
Einerseits die Enttäuschung, weil in dem einen oder anderen Fach, das vielleicht noch „auf der Kippe stand“, einfach mehr hätte drin sein können!
Dazu vielleicht ein gehöriger Ärger des Kindes über sich selbst, weil es sich doch mehr hätte anstrengen müssen, statt dessen zu oft die Bequemlichkeit hat siegen lassen, zu oft der attraktiveren Freizeitgestaltung gegenüber Referat, Hausaufgaben und Vokabeln den Vortritt gelassen hat?
Aber häufig auch Erleichterung darüber, weil eine Note doch besser ausgefallen ist als erwartet!
Über der ersten Frust hinaus kann es dann noch einmal unangenehm werden, wenn Geschwister zu Hause Zeugnisse aus dem Ranzen zaubern, die (mal wieder?) eindeutig besser ausgefallen sind.
Wie gerne hätte man selbst doch auch Mama und Papa mit einem solch guten Notendurchschnitt überrascht!
Zeugnistag – ein heikler Tag für die Familie?
Auch Eltern sehen sich mitunter an diesen Tagen in einer kniffligen Situation, wenn es um die Belohnung der schulischen Leistungen ihrer – doch so verschiedenen! – Kinder geht.
In manchen Familien ist es unüblich – für gute Noten gibt es stattdessen ein kleines Präsent oder einen gemeinsamen Ausflug – bei anderen ist es quasi Tradition: Das Zeugnisgeld.
Doch wie handhabt man es fair?
„Zeugnisgeld – nein oder ja? Und wenn ja, wie viel und wie verteilt?“
Das einfachste wäre auf den ersten Blick sicherlich: „Für jedes „Sehr gut“ einen festen Betrag, für jedes „Gut“ etwas weniger und so weiter“.
Bei genauerer Betrachtung gibt es gute Argumente, die dafür sprechen, aber auch genauso viele, die Zweifel an diesem Vorgehen aufkommen lassen.
Letzten Endes werden viele Faktoren – Anzahl der Kinder, finanzieller Spielraum, Altersunterschiede, persönliches Erleben in der eigenen Kindheit und Jugend, die generelle Einstellung gegenüber Belohnungen in Form von Geld für Kinder – mitentscheidend sein, in welchem Maße Kinder am Zeugnistag – im wahrsten Sinne – belohnt werden.
Daher gibt es an dieser Stelle kein abschließendes „Pro oder Contra Zeugnisgeld“, sondern lediglich Überlegungen, die man als Eltern im Vorfeld dazu anstellen könnte:
Gründe, die für das Zeugnisgeld sprechen
- Bei einem Einzelkind, bei dem naturgemäß keine Diskussionen über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit gegenüber Geschwistern zu erwarten sind, ist ein notenbezogenes Zeugnisgeld sicherlich die einfachste Lösung. Das Kind weiß, was es erwarten darf; Eltern müssen sich nicht immer aufs Neue Gedanken machen, wie sie für gute schulische Leistungen ihrem Kind eine Freude machen können.
- Es ist ungerecht, dass ein Kind schlichtweg weniger Zensuren auf dem Zeugnis hat als das andere und damit von vornherein benachteiligt ist, was die mögliche „Ausbeute“ an Zeugnisgeld betrifft?
Es ist nicht fair, das Zeugnis eines Drittklässlers mit dem eines Siebtklässlers zu vergleichen, weil es in der Grundschule einfacher ist, gute Noten zu bekommen?
Das sollten keine Argumente gegen das Zeugnisgeld sein, schließlich durchläuft jedes Kind irgendwann einmal jede Klasse, diese Ungerechtigkeiten gleichen sich also über die Jahre ganz von allein aus. - Gute Leistung wird belohnt – und das ist auch wichtig und richtig so.
Auch wenn es im Grundschulalter vielleicht noch zu früh dafür erscheint, dem Kind einen angemessen scheinenden „Lohn“ in Form eines Extra-Taschengelds für sein Zeugnis zu geben: Früher oder später im Leben wird es die Erfahrung machen, dass Leistung sich auch materiell auszahlt. Warum also nicht schon in jungen Jahren? - Die Aussicht auf Zeugnisgeld kann sehr motivierend wirken.
Sicherlich freut sich das Kind auch über ein anderes Präsent oder einen gemeinsamen Ausflug, aber wenn die (Extra-)Anstrengung während der Schuljahres gleichzeitig die Aussicht darauf bedeutet, sich an dessen Ende einen echten Herzenswunsch erfüllen zu können, wirkt diese – vielleicht – motivierender als jede Alternative. - Ein praktischer Aspekt: Mit Zeugnisgeld als Bonus zum üblichen Taschengeld kann der Umgang mit Geld geübt werden.
Kommt durch das Zeugnisgeld ein „zweites Taschengeld“ in einem Monat dazu, vielleicht sogar eine noch größere Extra-Summe, ist das Kind gefordert, sich Gedanken zu machen: Wird das Geld „verjubelt“ für kleine Highlights im Alltag, für die das Taschengeld ansonsten selten reicht? Für einen riesigen Eisbecher, einen Kinobesuch oder ähnliches?
Oder gibt es größere Ziele, die durch das Zeugnisgeld in greifbare Nähe rücken – und Sparen ist fortan angesagt? - Die Sommerferien sind lang und viele Verlockungen – vom Freibad bis zur Eisdiele – erwarten das Kind.
Sechs Wochen zum Ausspannen, die als willkommene Abwechslung vom – oft doch wirklich sehr anstrengenden – Alltag in vollen Zügen genossen werden sollen!
Das Zeugnisgeld als „Startkapital“ für die Sommerferien macht es Kindern möglich, sich hier und da mal einen kleinen Luxus gönnen zu können, der die Ferien versüßt.
Gründe, die (bei mehreren Geschwistern) gegen das Zeugnisgeld sprechen
- Vielleicht haben die Kinder unterschiedlich viele Zensuren auf dem Zeugnis? Wenn die Kinder es erfahrungsgemäß sehr genau nehmen und sich nicht damit trösten lassen werden, dass dies nun mal im Laufe der Schullaufbahn vorkommt, sind Zeit und Nerven wirklich zu schade dafür, um sich durch Diskussionen über solche „Kleinigkeiten“ einen ansonsten hoffentlich schönen letzten Schultag trüben zu lassen!
- Selbst wenn Zeugnisse und damit Zeugnisgelder exakt gleich ausfielen, könnte dies noch Konfliktpotenzial bergen.
Dann nämlich, wenn der Eine richtig büffeln musste, um seine Noten im Fach x zu verbessern oder zu halten, schlichtweg viel Zeit und Anstrengung in die gute Note investiert hat, während dem Anderen die Eins oder Zwei förmlich so zugeflogen ist.
Der eine Lehrer benotet vielleicht strenger als der andere, der Unterrichtsstoff wird im Laufe der Schullaufbahn anspruchsvoller – alles gute Grüne dafür, dass blanke Zensuren sich nun mal schwer miteinander vergleichen lassen und Zeugnisgeld eben kein Garant für Gerechtigkeit ist. - Wählt man das Schema „Jede Eins = Summe x Euro, jede Zwei = Summe y Euro…“ , müssen Altersunterschiede berücksichtigt werden, um jedem Kind mit seinem Zeugnisgeld gerecht zu werden.
Sind zehn oder fünfzehn Euro für einen Achtklässler ein „netter Zuschuss“ zum Taschengeld, ist dies für einen Drittklässler, der gelegentlich hier mal 50 Cent in Süßigkeiten oder dort mal 1 Euro in Sammelkarten investiert, ein riesiges, in der Tat vielleicht nicht angemessenes Vermögen. - Wer kein Zeugnisgeld bekommt – oder eine kleine Summe zusätzlich zu einem Präsent – muss sich weniger mit anderen messen lassen.
Auch wenn nach der Zeugnisausgabe erst einmal Ferien sind und bis zum Start ins neue Schuljahr das Zeugnis vermutlich bereits in Vergessenheit geraten ist: Dass jemand anderes in der Klasse soundsoviel Euro mehr für sein – womöglich schlechteres! – Zeugnis bekommen hat, „nagt“ weniger, wenn man dann von dem dicken Ferienschmöker, der neuen DVD oder dem Ausflug in den Freizeitpark schwärmen kann. - „Für jede Note x Euro!“
Wo Eltern zu zählen, zu rechnen und Geldsummen zusammen zu legen beginnen, um besonders fair und gerecht zu sein, bereitet die ganze Sache den Kindern selbst vielleicht überhaupt kein Kopfzerbrechen? Alle Aufregung und alle Überlegungen also ganz umsonst?
Vielleicht! Denn auch wenn Rivalität unter Geschwistern vorkommt: Unter vielen Brüdern und Schwestern herrscht sicherlich kaum bis gar kein Konkurrenzdenken, so dass jeder völlig mit sich, seinem Zeugnis und der Welt zufrieden sein wird, wenn einfach jeder die gleiche feste Summe – eventuell gestaffelt nach Schuljahr ebenso wie das Taschengeld dem Alter angepasst wird –, dazu vielleicht ein individuelles, kleines Wunschpräsent wie ein Buch oder eine CD bekommt.
Vielleicht würde das Zeugnisgeld sogar erst dazu führen, dass Rivalität entsteht, wo vorher niemand daran dachte?
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