Fast jeder Mensch hat ab und zu Angst. Das ist auch grundsätzlich nicht verkehrt: Angst ist evolutionsbiologisch gesehen ein wichtiges Gefühl, welches uns vor Gefahren warnt. Ohne Angst wären unsere Vorfahren vermutlich recht oft in brenzlige Situationen gekommen. In der heutigen Zeit gibt es im Alltag jedoch relativ wenige Dinge, die wirklich unser Überleben gefährden. Dennoch springt in bestimmten Situationen der Angst-Mechanismus an – zum Beispiel, wenn wir einen Vortrag halten sollen oder auf der Arbeit ein wichtiges Projekt vorstellen. Für Kinder jedoch, die von ihren Eltern komplett abhängig sind, ist die Welt eine ungleich gefährlichere. So ist es relativ normal, dass im Verlauf der Entwicklung Ängste auftreten – vor der Trennung im Kindergarten, dem Monster unter dem Bett oder großen Hunden. Häufig wachsen Kinder mit der Zeit aus ihren Ängsten heraus. Dennoch ist es wichtig, dass Eltern die Angst ernstnehmen und ihre Kinder in deren Bewältigung unterstützen.
Für Eltern häufig kein Grund zur Sorge
So wie jeder Mensch individuell ist, hat natürlich auch jedes Kind sein eigenes Temperament. Während manche mutiger sind, verhalten andere sich eher schüchterner und ängstlicher. Das bedeutet jedoch nicht, dass die vorsichtigen Kinder ein Leben lang unter ihren Ängsten leiden müssen. Mit der richtigen Unterstützung können sie lernen, über ihre Unsicherheiten hinauszuwachsen. In den seltensten Fällen steckt wirklich eine Angststörung dahinter. Dennoch gibt es Warnzeichen, die Sie nicht ignorieren sollten. Ziehen Sie auf jeden Fall professionelle Hilfe hinzu, wenn sich die Ängste ihres Kindes zu panikartigen Zuständen steigern. Auch wenn Sie merken, dass der Leidensdruck so groß ist, dass die Angst den Alltag beeinträchtigt oder psychosomatische Beschwerden hinzukommen, gilt es, zu handeln. So gibt es beispielsweise Kinder, die jeden Morgen, wenn sie in die Schule sollen, plötzlich unter Kopf- oder Bauchschmerzen leiden. Haben diese Beschwerden keine organische Ursache, befindet man sich auf dem Gebiet der Psychosomatik. Zuletzt kann es Eltern helfen, selbst psychotherapeutischen Rat oder eine Elternberatung in Anspruch zu nehmen, wenn sie unsicher mit ihrem Kind sind. Manche Eltern leiden unter starken Schuldgefühlen, weil sie denken, dass sie an den Ängsten ihres Kindes „Schuld“ seien. In diesen Fällen kann es entlasten, mit einer unbeteiligten Fachperson über die Thematik zu sprechen.
So helfen Sie Ihrem Kind, Ängste zu überwinden
Oft bitten Kinder, die Angst haben, um Körperkontakt. Sie möchten gestreichelt, gekuschelt oder in den Arm genommen werden. Gehen Sie diesem Bedürfnis nach und signalisieren Sie so Ihrem Kind, dass es mit seiner Angst nicht allein bleiben muss. Gleichzeitig ist es wichtig, selbst nicht zu vorsichtig und ängstlich zu sein. Wenn Eltern überzogene Ängste haben, kann es auch sein, dass sich diese auf die Kinder übertragen. Versuchen Sie stattdessen, Ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein und ihre eigenen irrationalen Ängste in den Griff zu bekommen. An Tagen, die besonders aufregend sind – zum Beispiel der erste Schultag oder der erste Tag im Kindergarten – hilft manchmal die Unterstützung eines Kuscheltieres oder des liebsten Spielzeuges. So kann sich Ihr Kind auch immer wieder an die Liebe und Geborgenheit erinnern, die es zuhause erhält. Versuchen Sie außerdem, in den Alltag immer wieder beruhigende Rituale einzubeziehen. Diese sorgen dafür, dass Ihr Kind am Abend zur Ruhe kommen kann und weniger Ängste beim Einschlafen hat. Das kann eine mutmachende Geschichte oder ein Märchen vor dem Einschlafen sein. Manchen Kindern hilft es auch, ausgiebig zu kuscheln oder bei Ängsten gemeinsam ein Lied zu singen. Eine andere Strategie ist es, das Kind zur Selbsthilfe zu ermutigen. Fragen Sie es, ob es etwas geben würde, was die Angst erleichtern könnte. Auf diese Weise finden Sie gemeinsam Möglichkeiten, gegen die Ängste vorzugehen und Ihr Kind lernt, dass es nicht ausgeliefert ist, sondern selbst etwas tun kann.
Nehmen Sie Ängste ernst
Angst ist ein normales Gefühl und gehört auch zum Älterwerden dazu. Versuchen Sie daher nicht, Ihrem Kind seine Angst auszureden oder diese kleinzumachen. Auch sollten Sie es tunlichst vermeiden, das Kind ungeschützt mit seinen Ängsten zu konfrontieren, um es „abzuhärten“. Dieser Schuss wird nach hinten losgehen. Statt weniger Angst zu haben, hat das Kind dann nämlich das Gefühl, von Ihnen als Eltern im Stich gelassen zu werden. Doch ist es auch wichtig, die Ängste nicht zu überdramatisieren und größer zu machen, als sie sind. Auch auf diese Weise könnte Ihr Kind nämlich den Eindruck bekommen, in einer zutiefst gefährlichen Welt zu leben. Finden Sie einen Mittelweg aus Rationalität und Anteilnahme. Stehen Sie Ihrem Kind bei und zeigen Sie emotionale Nähe – auf diese Weise sind Sie die beste Unterstützung.
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