Sie sind schwanger! Nach der Verkündung dieser frohen Botschaft, folgen in der Regel eine Reihe von Tipps und Ratschlägen Ihres Frauenarztes, zu denen auch die Empfehlung zur Einnahme von Folsäure gehört. Dies wirkt sich positiv auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes aus und kann die Entstehung von Neuralrohrdefekten effektiv verhindern.
Folsäure oder Folat – der kleine Unterschied
Häufig sorgt die Verwendung dieser beiden Begriffe für Verwirrung, da den meisten Frauen die genauen Definitionen nicht bekannt sind. Bei Folaten handelt es sich um wasserlösliche B-Vitamine, die natürlich vorkommen und für zahlreiche Stoffwechselfunktionen benötigt werden. Der menschliche Körper kann sie nicht selbst herstellen und ist aus diesem Grund auf die Versorgung durch die Nahrungsaufnahme angewiesen. Folsäure kommt hingegen in dieser Form nicht in der Natur vor und wird ausschließlich synthetisch erzeugt. Umgangssprachlich ist dieser Begriff jedoch gebräuchlicher und somit den meisten Verbrauchern eher bekannt. Folat reagiert empfindlich auf Licht und Hitze, daher sollten Sie möglichst frische Lebensmittel verwenden und auf eine schonende Zubereitungsweise achten.
Vitalstoff mit zahlreichen Funktionen
Folat oder auch Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) ist eine Vorstufe des Coenzyms Tetrahydrofolsäure (THF) und zählt für den Menschen zu den essenziellen Mikronährstoffen. Es ist maßgeblich an zahlreichen Stoffwechselfunktionen beteiligt, dazu gehören beispielsweise:
- DNS-Synthese
- Proteinstoffwechsel
- Biosynthese von Hämoglobin, Melatonin und Phospholipiden
- Zellwachstum und Zellteilung
Insbesondere im Hinblick auf den Wachstumsprozess und die Zellteilung spielen die Folate eine große Rolle und sind essenziell für die gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes. Ein Folatmangel während der frühen Schwangerschaft kann zur Entstehung von Herzfehlern und Neuralrohrdefekten beitragen.
Folsäureprophylaxe gegen Neuralrohrdefekte
Das Neuralrohr entwickelt sich in der Frühschwangerschaft und ist eine Vorstufe in der Entwicklung des zentralen Nervensystems. Zu den häufigsten Formen der Neuralrohrdefekte zählen Anenzephalie und Spina bifida. Letztere tritt im Zeitraum vom 22. bis 28. Tag nach der Empfängnis im Bereich der Wirbelsäule auf und kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein:
- occulta = nicht von außen sichtbar (nur zweigespaltener Wirbelbogen, Rückenmark ist nicht betroffen)
- aperta = offen, von außen sichtbar (drei Unterformen, je nach Schweregrad: Meningozele, Meningomyelozele und Myeloschisis)
Durch zahlreiche Studien von internationalen Forschern konnte nachgewiesen werden, dass die prophylaktische Einnahme von Folsäureprodukten die Entstehung dieser Fehlbildungen verhindern kann.
Zufuhr über die tägliche Ernährung
Folate finden sich in zahlreichen Nahrungsmitteln, besonders hoch ist die Konzentration in Leber und daraus zubereiteten Erzeugnissen. Viele Menschen sind von dem Gedanken an den Verzehr von Innereien nur wenig begeistert. Zudem raten die meisten Frauenärzte von einem Verzehr insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel ab, da sich das darin in hoher Dosierung enthaltene Vitamin A negativ auf die Entwicklung des Ungeborenen auswirken kann. Glücklicherweise enthalten auch viele pflanzliche Nahrungsmittel hohe Folatkonzentrationen, dazu zählen beispielsweise:
- Salat (100 Gramm = 50 Mikrogramm Folat)
- frische Tomaten (100 Gramm = 34 Mikrogramm Folat)
- Vollkornbrot (100 Gramm = 36 Mikrogramm Folat)
- Vollkornnudeln (100 Gramm = 20 Mikrogramm Folat)
- geräucherter Lachs (100 Gramm = 20 Mikrogramm Folat)
- Orangensaft (100 Mililiter = 18 Mikrogramm Folat)
- Weizenkeime (25 Gramm = 100 Mikrogramm Folat)
Wie Sie an dieser beispielhaften Aufzählung sehen, ist die Deckung des hohen Folatbedarfs in der Schwangerschaft kaum möglich. In der Regel liegt die tägliche Zufuhr durch die Ernährung in der Regel bei durchschnittlich 250 Mikrogramm. Viele Frauenärzte empfehlen Schwangeren jedoch die tägliche Zufuhr von rund 600 Mikrogramm pro Tag. Aus diesem Grund ist die Einnahme eines Folsäure-Supplements zum Schutz vor einem gefürchteten Neuralrohrdefekt sehr empfehlenswert.
Täglicher Bedarf in der Schwangerschaft
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Schwangere eine tägliche Folatzufuhr von mindestens 550 Mikrogramm. Da die Entwicklung des Neuralrohrs bereits sehr früh in der Schwangerschaft erfolgt, sollten Sie bei Kinderwunsch zusätzlich zu einer bewusst folatreichen Ernährungsweise bereits unmittelbar nach Beendigung der Verhütung mit der Einnahme eines Folsäurepräparats beginnen. Nach Ansicht der DGE ist hier eine tägliche Zufuhr von 400 Mikrogramm sinnvoll, mit der Einnahme sollte bereits mindestens vier Wochen vor der Schwangerschaft begonnen werden. Ein Beginn der Einnahme von synthetischer Folsäure nach Bekanntwerden der Schwangerschaft kann im Hinblick auf die embryonale Entwicklung in der Frühschwangerschaft bereits zu spät für die Verhinderung einer Fehlbildung sein. Zur Sicherstellung eines diesbezüglich präventiv wirksamen Folatspiegels ist daher ein frühzeitiger Beginn der Folsäurezufuhr etwa zwei bis drei Monate vor einer Schwangerschaft durchaus sinnvoll.
Weitere Schwangerschaft und Stillzeit
Auch wenn ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel keine Gefahr für Neuralrohrdefekte mehr besteht, sollten Sie die Einnahme der synthetischen Folsäure fortsetzen. Folatmangel gilt als einer der Risikofaktoren für Schwangerschaftskomplikationen wie Abort, Frühgeburt oder Abruptio placentae (vorzeitige Plazentalösung), daher kann die Fortsetzung der Einnahme als Prävention angesehen werden. Wenn Sie Ihr Kind stillen, ist der Folatbedarf weiterhin hoch und liegt nach Ansicht der DGE bei rund 450 Mikrogramm pro Tag. Die weitere Einnahme von synthetischer Folsäure gewährleistet eine ausreichende Versorgung Ihres Kindes und ein gesundes Wachstum.
Unsicherheiten bei der Dosierung
Nach einer Studie der Technischen Universität München bestehen bei vielen Frauen große Unsicherheiten im Hinblick auf die richtige Einnahme von Folsäure. In den meisten Fällen erfolgt die Einnahme zu spät, da nur etwa ein Drittel der Frauen bereits mindestens vier Wochen vor Schwangerschaftsbeginn mit der Folsäureeinnahme beginnen. Nach Ansicht zahlreicher Studien kann die Folsäureprophylaxe bereits vor einer Schwangerschaft das Risiko für die Entstehung von Neuralrohrdefekten um rund 70 Prozent senken. Aus diesem Grund empfehlen wir bei Kinderwunsch die Rücksprache mit Ihrem Frauenarzt, der Sie im Hinblick auf genaue Dosierung und Einnahme eines bestimmten Präparates individuell beraten kann.
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