Jedes Kind hat Freunde! Oder?
Jedes Kind braucht doch Freunde! Oder etwa nicht?
Mit Freundschaften ist es so eine Sache – wie unter Erwachsenen so auch unter Kindern.
Es gibt die berühmten wahre Freunde, die miteinander durch dick und dünn gehen.
Sicherlich gibt es aber auch einseitige Freundschaften, eher „Zweck-Freundschaften“, um den Schulweg nicht alleine gehen zu müssen und am Nachmittag „irgendwen“ zum Spielen zu haben.
Schnell wird – heutzutage dank sozialer Netzwerke vielleicht mehr denn je – unter Erwachsenen jemand als „Freund“ bezeichnet, obwohl Bezeichnungen wie „Bekannter“, „Kollege“ oder „Nachbar“ treffender wären, weil einen außer gelegentlichem Smalltalk nicht viel verbindet.
Worte wie „Bekannter“ sind Kindern zwar noch nicht geläufig, das gerne und schnell gebrauchte Wort „Freund“ aber auch bei ihnen nicht unbedingt von tieferer Bedeutung.
Wer im Kleinkindalter einmal Süßigkeiten oder eine Stunde lang den Sandkasten auf dem Spielplatz mit einem geteilt hat, ist kurzerhand ein „Freund“.
Und später in der Schulklasse dürfen sich praktisch alle im „Freundebuch“ verewigen, selbst wenn es außer der Klassengemeinschaft keine Gemeinsamkeiten und großen Sympathien gibt und die „Freundschaft“ spätestens dann endet, wenn sich nach der vierten Klasse die Wege trennen.
Das Bild der wahren Freundschaft, der allerbesten Freundinnen oder Kumpel auf Lebenszeit ist jedoch so omnipräsent, dass es fast selbstverständlich erscheint.
In Kinderbüchern, in Kinderfilmen und in Hörspielen gibt es gefühlt immer DIE besten Freundinnen, die auf ewig unzertrennlich sind, oder die besten Freunde, die sich gemeinsam alle Abenteuern stellen, allen Höhen und Tiefen des Lebens Seite an Seite entgegentreten.
Umso schmerzhafter mag es sich dann anfühlen, wenn das eigene Kind sich gerade nicht glücklich schätzen kann, einen solchen Freund oder eine solche Freundin an seiner Seite zu wissen.
Die Gründe dafür können vielfältig sein: Ein Umzug kann dazu führen, dass Freundschaften auseinander gehen, im jungen Kindesalter nach kurzer Zeit gar ganz in Vergessenheit geraten!
Wege können sich trennen, wenn nach der Spielgruppe nicht derselbe Kindergarten, nach dem Kindergarten nicht dieselbe Grundschule, nach der Grundschule nicht mehr dieselbe weiterführende Schule besucht wird.
Andere Kinder können vertraute Konstellationen stören, Vertrauensbrüche das Ende einer Freundschaft einleiten, Interessen schlichtweg auseinander gehen, sodass irgendwann der Freundschaft die gemeinsame Basis fehlt.
Ein Grund kann aber auch sein: Das Kind hat einfach noch nicht Freundschaften schließen können.
„Bekanntschaften“ natürlich. Auch findet es in der Kita vielleicht immer jemanden zum Spielen und steht augenscheinlich nie alleine da.
Aber darüber hinaus gibt es weder Anfragen, das gemeinsame Spiel am Nachmittag fortzusetzen, noch flattern Einladungen zu Kindergeburtstagen ins Haus?
Dann stellt sich vielleicht zunächst die Frage „Braucht mein Kind überhaupt Freunde?“.
Vielleicht ist es ohne ja auch ganz zufrieden?
Folgende 10 Erfahrungen aus Elternsicht, was alles Freundschaft unter Gleichaltrigen so wertvoll macht, sprechen eindeutig für die Wichtigkeit der Freundschaft:
1 „Wir sind Freunde!“
So banal es klingt: Um wissen, was Freundschaft bedeutet, was sie ausmacht, wie man sie erkennt, muss man jemanden treffen, mit dem man dies erfahren kann.
2 „Gemeinsam sind wir stark!“
Sei es, gegenüber den Eltern die gemeinsamen Übernachtungspläne durchzusetzen, Unvorhersehbarkeiten des Schulwegs zu meistern oder sich nachmittags auf dem Spielplatz gegen andere zu behaupten. Einen besten Freund oder eine beste Freundin an der Seite zu wissen, macht mutig, selbstbewusst und stark.
3 „Das wissen nur wir beide!“
Eltern und Geschwister müssen auch nicht alles wissen! Geheimnisse mit der besten Freundin zu haben, das ist spannend, das sorgt für ein Kribbeln im Bauch, das schweißt zusammen und ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass die Lippen derer anderen gegenüber felsenfest verschlossen bleiben werden.
4 „Mit dir macht es am meisten Spaß!“
Mit dem Puppenhaus spielen, im Kaufmannsladen verhandeln oder mit Inlineskates auf der Spielstraße herum düsen: Das kann man natürlich auch mit Mama oder Papa, Bruder oder Schwester machen. Richtig Feuer und Flamme dafür werden aber nur Gleichaltrige mit gleichen Interessen sein, mit denen es naturgemäß dann auch am meisten Spaß macht!
5 „Du bist nicht mehr meine Freundin!“
Im Spiel, im Kindergartenalltag oder in der Schulklasse kochen Emotionen schnell hoch; wegen Nichtigkeiten lässt es sich schnell in die Haare geraten.
Eine wahre Freundschaft hält dieses jedoch aus und die Versöhnung wird nicht lange auf sich warten lasen.
Was Kinder daraus lernen: Streit muss man auch mal in Kauf nehmen und aushalten können. Seine Meinung auch mal klar und deutlich vertreten, wenn diese nicht auf Gegenliebe stößt.
Und: Zu einer Freundschaft gehört auch, ein Stück weit nachgeben, sich entschuldigen, vergeben und vergessen zu können. Weil es die Freundschaft einfach wert ist!
6 „Bei euch ist alles ein bisschen anders“
Sich nachmittags zu verabreden bedeutet für Kinder auch, andere Wohnungen, andere Eltern, andere Familienkonstellationen kennenzulernen, andere Kinderzimmer zu sehen, sich mit anderem Spielzeug zu beschäftigen. Kein Familienleben ist wie das andere, für Kinder ist dies einfach sehr spannend zu erleben und manchmal öffnet es auch die Augen, dass unerfüllte Wünsche an das eigene Familienleben (jüngere oder ältere Geschwister, Haustiere …) in der Realität vielleicht so gar nicht den Traum-Vorstellungen entsprechen.
7 „Ich kann schneller laufen, du kannst schöner singen!“
Sich mit anderen messen, mal in etwas besser sein, mal aber auch der besten Freundin gönnen können und neidlos anerkennen, dass sie schönere Haare, das größere Talent beim Zeichnen oder Flötespielen besitzt, ist eine wertvolle Fähigkeit fürs ganze Leben, die sich in einer Freundschaft leicht übt.
8 „Wir sind immer füreinander da!“
Gemeinsam schöne Dinge zu erleben, ist ein Leichtes. Den besten Freund nach der verhauene Mathe-Arbeit trösten zu können, mit ihm zusammen stundenlang nach dem verlorenen Hausschlüssel zu suchen oder den Anblick von Tränen und blutendem Knie zu ertragen, darin zeigt sich die wahre Qualität der Freundschaft.
9 „Hast du heute Zeit?“
Eine Freundschaft ist kein Selbstläufer, sondern will gepflegt sein.
Kindern ist diese „Arbeit“ nicht bewusst, solange sie Kindergartengruppe oder Schulklasse teilen.
In späteren Jahren aber wird sie häufig umso wichtiger: Sich melden, sich verabreden, etwas gemeinsam unternehmen, auch wenn die Zeit eigentlich mal wieder knapp ist.
Nicht immer darauf warten, dass der andere die Freundschaft am Leben erhält, sondern selbst aktiv werden. Die kleinen, sprichwörtlich die Freundschaft erhaltenden Geschenke nicht vergessen, Geburtstage nicht verbummeln, sich „einfach mal so“ nach Stimmung, Wohlergeben und Neuigkeiten erkunden.
Das alles wird immer wertvoller, wenn man sich eines Tages vielleicht nicht mehr tagtäglich selbstverständlich über den Weg läuft, und kann hier und da schon „geübt“ werden, solange dies noch der Fall ist.
10 „Das werden wir nie vergessen!“
Manch eine Kindheitserinnerung verblasst, manch andere bleibt (auch dank eines gut gepflegten Fotoalbums) ewig lebendig. Wie wunderbar, wenn man diese mit Freundschaften verbinden kann, die einem wirklich etwas bedeuten.
Wenn man schöne Ereignisse, besondere Erlebnisse und Highlights der Kindheit nicht nur mit einem Datum in Verbindung bringt, sondern auch mit einem Gesicht vor Augen, einer Stimme im Ohr und der Erinnerung an ein Lachen, das einem auch nach vielen Jahren noch ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern vermag!
Nach diesen vielen guten Argumenten für die wahre Freundschaft beschäftigen wir uns übermorgen hier mit der Frage: „Was tun, wenn das Kind partout keine Freunde zu finden scheint?“